Page 15 - weihnachtskurier_2023
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geblieben war, immer wieder längere Auszeiten auf dem Land ermöglichte. Bruder Johann Heinrich zählt zu den Gründern der Helvetischen Gesellschaft zu Schinznach, die sich der inneren Erneuerung der Eidgenossenschaft verschrieben hatte.8 Sein Freund und Mitstreiter, der Zür- cher Stadtarzt Johann Kaspar Hirzel-Leu (1725–1803), veröffentlichte 1761 das Buch Die Wirthschaft eines philo­ sophischen Bauers, das anhand des Musterbauern Jakob Gujer, genannt Kleinjogg, die physiokratische Forderung nach einer Erneuerung und Intensivierung der landwirt- schaftlichen Produktionsweise popularisierte.
Vater und Mutter Schinz sahen für ihren jüngsten Sohn den Pfarrberuf vor, eine standesgemässe Wahl, hatten doch seit der Reformation über zwanzig Angehörige des Schinzen-Geschlechts diesen Weg eingeschlagen.9 Aller- dings war die Aussicht auf eine gut dotierte Pfarrstelle keineswegs sicher, doch eröffnete die theologische Ausbil- dung in Zürich verschiedene Perspektiven und war weni- ger kostspielig als ein Studium an einer auswärtigen oder gar ausländischen Universität. Johann Rudolf Schinz un- terzog sich dem elterlichen Wunsch wohl eher aus densel- ben pragmatischen Gründen, ein ausgeprägter religiöser Eifer wurde ihm nicht nachgesagt.10
So besuchte er wie damals üblich zunächst die Deutsche Schule, wechselte achtjährig an die Lateinschule und mit zwölf oder dreizehn Jahren ans Collegium Humanitatis, den zweijährigen Vorbereitungskurs fürs anschliessende Collegium Carolinum.
«Stillsitzen, um zu lernen, war nicht seine Sache»,11 heisst es über die ersten Schuljahre. Lieber sei er in den Zürcher Gassen unterwegs gewesen, wo sich früh schon ein wacher Geist und eine gute Beobachtungsgabe gezeigt hätten. Anregung hierzu gab es im Alten Zürich genug: Die Stadt zählte damals rund 10’000 Einwohnende.12 Zwischen 1713 und 1760 wuchs die Zahl der ansässigen
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