Page 22 - weihnachtskurier_2023
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am Bach», um staatsphilosophische Fragen zu debattie- ren, Montesquieus Schriften über die Gewaltenteilung zu lesen und sich in Rousseaus Naturrechtslehre zu vertiefen. Schinz, der ja «nicht eben dazu aufgelegt, immer beim Buche zu sitzen»,25 figuriert nicht unter den Aktivmit- gliedern dieser Gesellschaft, hingegen ist sein Name als Referent an einer Versammlung einer weiteren, von Bod- mer wenig später ins Leben gerufenen Sozietät überliefert, der «Helvetisch-vaterländischen Gesellschaft auf der Gerwi».26 Bei den Mitgliedern beider Gruppierungen handelte es sich mehrheitlich um die Söhne regierender und regimentsfähiger Oberschichts-Familien, gleichwohl oder erst recht waren deren Lektüren aus der Sicht der «Gnädigen Herren» höchst verdächtig, war es doch al- lein Sache der Obrigkeit, über die Verfasstheit des Staats- wesens zu wachen. Die «Gnädigen Herren» verstanden sich als alleinige Garanten von Gerechtigkeit und Volks- wohlfahrt und betrachteten schnell jegliche Kritik als Aufkündigung der Loyalität und Gefährdung der inneren Ruhe.27
Eine erste Serie von Konflikten offenbart die magistralen Empfindlichkeiten im Umgang mit einer Jugendbewe- gung, die ihre Systemkritik in politische Aktion umsetzte, wenn auch maskiert unter moralischen Vorzeichen. Am Anfang steht der sogenannte «Grebel-Handel» (siehe Kästchen nebenan), der die städtische Öffentlichkeit be- wegte und zur lebenslänglichen Verbannung des korrup- ten Landvogts führte. Indes kamen auch die beiden na- mentlich involvierten Aktivisten, Lavater und Füssli (der Maler), nicht ungestraft davon: Sie mussten vor den «Gnädigen Herren» Abbitte leisten und wurden danach von ihren Familien vorsichtshalber ausser Landes ge- schickt. Eine zweite Aktion aus den Reihen der «politi- schen Patrioten» wandte sich 1764 gegen einen Zunft- meister, der finanzieller Verfehlungen beschuldigt wurde. Die dritte Aktion richtete sich gegen den fehlbaren Land-
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