Page 23 - weihnachtskurier_2023
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pfarrer von Dättlikon, einer Nachbargemeinde Embrachs, weshalb Schinz in diesem Konflikt eine aktive Rolle zu- kommen sollte.
Im März 1765 besuchte der inzwischen aus Deutschland zurückgekehrte Lavater einen Freund im Pfarrhaus von Neftenbach.28 Schinz, noch immer Theologiestudent, war auch zugegen und lud die Schulfreunde nach Em- brach ein. Unterwegs begegneten sie dem Schulmeister von Dättlikon, der sich auf Lavaters Fragen hin negativ über Lebenswandel und Amtsführung des dortigen Pfar- rers ausliess. Schinz waren diese Klagen durchaus bekannt, man hatte ihn diesbezüglich auch bereits um Rat gefragt. Lavater wollte die Angelegenheit weiterverfolgen, drängte auf zusätzliche Informationen und arrangierte ein Treffen
 Der Grebel-Handel
In Zürich zirkulierten zahlreiche Gerüchte, dass sich Junker Johann Felix Grebel wäh- rend seiner Amtszeit als Landvogt von Grüningen (1755–1761) durch Erpressung des Landvolkes widerrechtlich bereichert habe. Ende August 1762 schickte ihm der frisch ordinierte Lavater einen anonymen Drohbrief mit der Aufforderung, das «Raubgut» binnen zweier Monate zurückzuerstatten. Da Grebel nicht reagierte, verfassten Lavater und Füssli (der Maler) unter dem Titel Der ungerechte Landvogt oder Klagen eines Patrioten eine Klageschrift, die sie drucken und Ende November in der Stadt an ein- zelne Magistraten und einflussreiche Bürger verteilen liessen. Dieser Schritt an die städtische Öffentlichkeit löste grosses Aufsehen aus und zwang die «Gnädigen Her- ren» zum Einsetzen einer Untersuchungskommission, zumal nun auch aus Grüningen an die zwanzig Klagefälle vor den Rat gelangten. Grebel wurde in der Folge zur Zah- lung einer Entschädigung von über 9000 Gulden verurteilt und auf Lebenszeit aus Zürich verbannt.
Lavater und Füssli, die sich vor der Kommission als Verfasser der Klageschrift zu erken- nen gegeben hatten, mussten vor dem Rat Abbitte leisten. Sie wurden aber auch als jugendliche Freiheitshelden geehrt: Jünglinge hätten alte Männer aus dem Schlaf geweckt, so das Lob ihres einstigen Lehrers Johann Jakob Bodmer.
Lit.: Ulrich, Jahrhundert, S. 396f., Braun, Régime, S. 298f.
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