Page 25 - weihnachtskurier_2023
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1767 traten die «politischen Patrioten» nochmals mit ei- ner Protestaktion an die Öffentlichkeit, einem fiktiven Bauerngespräch, dessen Inhalt für die «Gnädigen Her- ren» so provokant war, dass sie alles in Bewegung setzten, um den anonymen Verfasser ausfindig zu machen und die Zirkulation der «Schandschrift» zu unterbinden.29 Dem Autor, Christoph Heinrich Müller, Vorsitzender der «Gesellschaft am Bach», gelang rechtzeitig die Flucht, doch nach Verhaftungen und über einem Dutzend Verhö- ren war seine Urheberschaft geklärt und er in Abwesen- heit des Landes verwiesen. Das Organ der «politischen Patrioten», der Erinnerer mit Lavater als hauptverant- wortlichem Redakteur, wurde verboten, die Abschriften des Bauerngesprächs, deren man habhaft wurde, vom Henker verbrannt. Den «Lästerbrief» aus dem früheren Dättliker-Handel warf man gleich mit ins Feuer. Das harte Durchgreifen der Obrigkeit führte zum Zerfall der systemkritischen Jugendbewegung, die überdies an wach- senden inneren Spannungen gelitten hatte.30
Wie weit sich Schinz in dieser Schlussphase noch immer als Teil der «politischen Patrioten» verstand, muss offen- bleiben. Nach seiner Ordination 1766 war er nach Em- brach gezogen, blieb aber mit vielen «Bodmer-Jünglin- gen» befreundet oder gar familiär verbunden: Seine Schwester Anna Maria (1732–1811) hatte sich 1767 mit Johann Jakob Hess verheiratet, einem Wortführer der «politischen Patrioten».31 Wie viele seiner einstigen Mit- streiter, die ins Lager der gemässigten Reformkräfte wech- selten, machte Hess später Karriere, wurde 1777 zum Di- akon ans Fraumünster gewählt und stand ab 1785 als Antistes der Zürcher Staatskirche vor. Andere wiederum zogen sich resigniert ins Privatleben zurück, suchten wie Pestalozzi ihre Ideale über die Erziehung an eine nächste Generation weiterzugeben oder in ländlicher Selbstgenüg- samkeit Erfüllung zu finden. Schinz selbst blickte zwan- zig Jahre später wie folgt auf diese Zeit zurück:
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