Page 26 - weihnachtskurier_2023
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«Noch erinnere ich mich, wie wir damals zusammen den Staat und die Kirche in unseren Hirngespinsten umbildeten und uns zu griechischen Heldentaten tüchtig, zum Opfer für das Vaterland geschickt glaub ten. Wir gehörten zu jener Konföderation der Füssli, Lavater, Escher und anderen, welche den Landvogt Grebel verklagten, den Zunftmeister Brunner verun glimpften, und schlechte Pfarrer befehdeten – eine Ju gend, die damals ihren Vätern und der Regierung Kummer und Verdruss machte.»32
Als Pfarranwärter auf Reisen
1766 beendete Schinz das Theologiestudium, wurde ordi- niert und somit in die wachsende Schar sogenannter Ex- pectanten aufgenommen. Wie der Historiker David Gu- gerli errechnet hat, musste Schinz’ Absolventenjahrgang im Durchschnitt mit einer Wartezeit von rund vierzehn Jahren rechnen, bis ihm irgendwo auf dem Gebiet des Zürcher Stadtstaates eine Pfarrstelle zuteil werden konn- te.33 Das Carolinum war als standesgemässe höhere Aus- bildung beliebt und wenn auch nicht alle Absolventen den Pfarrdienst anstrebten, so blieb die Konkurrenz doch rie- sig: Allein in Schinz’ Jahrgang beendeten rund 140 Schü- ler das Studium.34 Die Überzahl an Pfarranwärtern war im übrigen gewollt, denn aus ihrem Kreis liessen sich wil- lige kirchendienstliche Hilfskräfte und billige Hauslehrer rekrutieren.35
Frisch ordiniert, verlegte Schinz seinen Wohnsitz ganz nach Embrach, um dem Bruder bei der Gutsverwaltung beizustehen und seine landwirtschaftlichen Kenntnisse theoretisch und praktisch zu vervollständigen. Hin und wieder übernahm er in der Umgebung Kirchendienste, wenn ein Pfarrer krankheitshalber ausgefallen war. Es war wohl eine grosse Erleichterung, als ihm rechtzeitig zum Ende der Amtszeit seines Bruders in Embrach Johann
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