Page 47 - weihnachtskurier_2023
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Der Kontakt zum jungen Johann Heinrich Steiner-Schult- hess, dem letzten Gerichtsherrn von Uitikon, gestaltete sich geschäftsmässig nüchtern. Nur drei Einträge in Schin- zens Tagebuch von 1785 erwähnen eine Zusammenkunft des Stillstands, zweimal vertrat der Pfarrer den abwesen- den Steiner.103 Fragen wie die anstehende Hebammen- wahl wurden vorbesprochen.104 Auf gemeinsamen Gän- gen über die Üdiker Fluren tauschten sich die beiden über landwirtschaftliche Fragen aus. Der vorherige Gerichts- herr hatte Schinz beim Kleeanbau unterstützt,105 sein Sohn war eher konservativ gesinnt: 1783 liess der junge Steiner eine Gemeindetrülle (Drehkäfig) zur Bestrafung fehlbarer Dorfleute anschaffen, 1797 einen Holzfrevler öffentlich auspeitschen.106
Wenn Schinz nur den Sonntag über im Dorf verbrachte und keine aussergewöhnlichen Vorfälle zu notieren wa- ren, so beschränkte sich der Tagebucheintrag auf die For- mel: «Ich ging nach Uitikon. Predigte. Leseschule, Kin- derlehr, Unterweisung. Eilte heim nach Zürich.»107 Doch der Pflichtenkatalog eines Zürcher Landpfarrers, der im Dorf immer auch als obrigkeitlicher Stellvertreter der «Gnädigen Herren» das Pfarrvolk zu überwachen hatte, war umfangreich. Grossen Wert legte die Kirchenleitung auf regelmässigen Besuch zuhause bei den Gemeindemit- gliedern. Folgt man den diesbezüglichen Anweisungen in der PredicantenOrdnung, kam so ein Hausbesuch einem eigentlichen Verhör gleich.108 Nicht nur sollte der Pfarrer dem Wohlverhalten aller Haushaltsangehörigen, der Ein- haltung der religiösen Pflichten im Alltag, dem Wissens- stand in konfessionellen Fragen und vielem anderen nach- fragen, er hatte die Auskünfte als Erinnerungshilfe auch schriftlich festzuhalten und bei nächster Gelegenheit da- ran anzuknüpfen.109 In Schinzens Tagebuch ist lediglich ein Hausbesuch vermerkt, bei dem Kontrolle, Tadel und Ermahnung im Vordergrund standen.110 Die meisten Hausbesuche erfolgten, weil Schinz von der Krankheit
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