Page 51 - weihnachtskurier_2023
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Charakterzüge aufzählen: heftig, unbedacht, rechthabe- risch, streng, schroff.121 Sicherlich hat Schinz mehr als einmal in der Üdiker Kirche gegen den Hang zum Luxus angepredigt, eine Zeitkritik, die damals gerade unter den patriotisch gesinnten Volksaufklärern geläufig war. Er selbst hatte ja sowohl bei seinem Lehrer Bodmer wie beim Tessiner Pfarrvikar Bustelli deren asketische Lebensfüh- rung bewundert. Die Beziehung zwischen Schinz und sei- nem Kirchenvolk scheint aber doch auf Umgänglichkeit und Vertrauen beruht zu haben. «Bauer Bosshard von Ringlikon trank bei und mit mir auf der Stube ein Glas Wein, fragte mich allerlei über die Bibel», heisst es im Tagebuch.122
Unkomplizierte Begegnungen ergaben sich oftmals auf dem Hin- und Rückweg nach Uitikon, man bat den Pfar- rer um Vermittlungsdienste in verschiedenen Angelegen- heiten123 und um Rat, als sich im Stall des Ringliker Wei- bels die Milch nach dem Melken blau verfärbte.124 Auf ein offenes Ohr konnten die Bauern auch mitten im spätsom- merlichen Erntestress zählen, wenn die Arbeit auf dem Feld eine Lockerung des sonntäglichen Arbeitsverbots und Änderungen im pfarrherrlichen Zeitplan erzwang:
«... Liess, weil ich von verschiedenen darum gebeten worden, früher als gewohnt um halb 12 Uhr um Kin derlehr läuten, damit man die schon lang liegende Frucht aufnehmen und heimführen könne. (...) Alles arbeitete auf dem Feld mit Garbenbinden und Heim führen, wie an einem Werktag ...»125
Das Interesse an der Landwirtschaft und am bäuerlichen Leben mag wohl zum guten Einvernehmen zwischen Ringlikern und Üdikerinnen und ihrem Pfarrer beigetra- gen haben. Zeit seines Lebens sehnte sich Schinz danach, in Besitz eines Landguts zu kommen.126 Eine Gelegenheit ergab sich im Sommer 1785: «Gab dem Weibel von Ring- likon Auftrag, dem Gütli im Hard nachzufragen.»127 Es
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